Die Sommerferien sind zu Ende und so auch meine Ferienlektüre „DAS PRINZIP FAIRTRADE – vom Weltladen zum Supermarkt“ (Caspar Dohmen, orange-press Berlin, 2017). Das Buch brilliert durch seine Vielschichtigkeit, mit der es Geschichte, Politik und wirtschaftliche Zusammenhänge von „Fairtrade“ dargelegt. Wusstest Du, dass …
- Erste Anstösse zu einem gerechten Handel im 19. Jahrhundert von Gegnern des Sklavenhandels in den USA ausgingen?
- Max Havelaar eine niederländische Romanfigur aus dem Jahr 1860 ist?
- In der Schweiz heute jede zehnte Tasse Kaffee mit „fairen“ Bohnen gebraut und pro Kopf am meisten für fair-gelabelte Produkte ausgegeben wird?
Nebst solch greifbaren Facts beeindruckt das Buch mit Beispielen, die aufzeigen, wie es dem anhaltenden Druck der Zivilgesellschaft zu verdanken ist, dass heutzutage viele Unternehmen ihre Lieferketten von Standardgebern überprüfen lassen. Inzwischen haben Fairtrade und andere Nachhaltigkeitszertifikate eine Bedeutung erreicht, mit der sie über Teilnahme oder Ausschluss von Produktionsländern in internationalen Lieferketten entscheiden können – zumindest wenn es um die Zulieferung für europäische Märkte geht. Dennoch scheint die faire Handelsidee zunehmend an ihre Grenzen zu stossen, indem sie in einem kapitalistischen Welthandelssystem selbst auf Wachstum angewiesen ist.
Aber wer bestimmt eigentlich was „fair“ ist und was nicht? Haben die Produzenten in den Herkunftsländern hierbei eine Stimme? Wie geht es den Kaffeebauern im Süden 27 Jahre nachdem Coop und Migros ihre Regale mit dem ersten „Fairtrade“-Kaffee füllten? Und wie ist es zu bewerten, dass Discounter wie Lidl und Aldi ihre Fairtrade-Produktpalette laufend erweitern?
In seinem Buch liefert der Autor Antworten auf diese Fragen sowie eine Vielzahl an Pro- und Contra-Argumenten, die die heutigen Debatten um den fairen Handel prägen. Nicht selten befindet man sich deshalb während des Lesens in einem Wechselbad der Gefühle. Nebst einer ausführlichen Darstellung zur geschichtlichen Entstehung und Entwicklung des gerechten Handels kommen Akteure auf der Export- wie Importseite zu Wort. Dabei scheut sich das Buch weder vor strenger Kritik noch vor Ansätzen, wie die Zukunft des fairen Handels aussehen kann.
Trotz Kontroversen ist mein persönliches Fazit nach dieser Lektüre, weiterhin fair-gelabelte Produkte den konventionell produzierten Waren vorzuziehen. Allein deshalb, weil es wichtig ist, die Nachfrage danach zu stärken. Nur wenn markiert wird, dass auf der Seite der Konsumierenden das Bedürfnis nach gerechtem Handel besteht, wird der fruchtbare Boden geschaffen, auf dem sich bisherige Ansätze weiter entwickeln und reformieren können. Mit dem Kauf alleine ist es aber nicht getan. Als Konsumentin fühle ich mich gleichzeitig aufgefordert, mich mit den verschieden Fair-Trade-Labels aktiv auseinanander zu setzen und von den Siegelorganisationen, Privatwirtschaft und Politik die nötige Weiterentwicklung heutiger Standards einzufordern.
Ein empfehlenswertes Buch für alle, die die Hintergründe und globalen Zusammenhänge des fairen Handels besser verstehen und dabei einschätzen möchten, was mit dem Kauf von fair-gelabelten Produkten bewirkt werden kann – und was (noch) nicht.